Pressemitteilung
- Weltweit erwarten 44 Prozent der Führungskräfte, dass Netto-Null-Emissionen erst 2070 oder später erreicht werden
- Begrenzte Budgets, zögerliche Investoren, eine zurückhaltende Kundschaft sowie politische Unsicherheiten zählen zu den größten Herausforderungen
- Innovative Technologien und KI rücken zunehmend in den Fokus, um Effizienzsteigerungen voranzutreiben und die Projektesteuerung zu optimieren
Trotz hoher Investitionen in saubere Energien im vergangenen Jahr zeigen sich die Führungskräfte aus der Energie- und Rohstoffbranche zunehmend skeptisch, wann die Welt tatsächlich Netto-Null-Emissionen erreichen wird. Dies geht aus der „Energy & Natural Resources Executive Survey 2025“ der internationalen Unternehmensberatung Bain & Company hervor. Die jährliche Befragung von weltweit mehr als 700 Führungskräften aus den Sektoren Öl und Gas, Energieversorgung, Chemie, Bergbau und Agrarwirtschaft analysiert die Herausforderungen und Chancen der Energiewende und legt dar, wie Unternehmen ihre Investitionen mit anderen geschäftlichen Prioritäten in Einklang bringen.
So gehen inzwischen 44 Prozent der Befragten davon aus, dass Netto-Null-Emissionen erst 2070 oder später erreicht werden – ein deutlicher Anstieg gegenüber 31 Prozent im Vorjahr. Gleichzeitig rechnet nur mehr knapp ein Drittel mit einer Umsetzung bis 2050, während frühere Befragungen hier Zustimmungswerte von 40 bis 50 Prozent verzeichneten. Derweil bleibt die Bedeutung fossiler Brennstoffe hoch: Die Branchenverantwortlichen erwarten im Durchschnitt, dass die weltweite Ölnachfrage erst um 2038 ihren Höhepunkt erreichen wird.
„Unsere Analyse verdeutlicht einmal mehr, dass die Energiewende eine doppelte Herausforderung darstellt: Einerseits muss der stetig steigende Energiebedarf gedeckt werden, gleichzeitig gilt es, die Dekarbonisierung voranzutreiben“, erklärt Dr. Franz-Robert Klingan, Bain-Partner und Leiter der Praxisgruppe Energie & Rohstoffe in der DACH-Region. „Die Branche durchläuft eine Phase tiefgreifender Innovation und Transformation. Wer sich jetzt strategisch neu aufstellt, wird die Zukunft der Energiewirtschaft mitprägen.“
Finanzielle Tragfähigkeit ist größte Hürde der Energiewende
Die anfängliche Euphorie für ESG-getriebene Investitionen weicht laut der Bain-Befragung zunehmend einem pragmatischeren Fokus auf die Wirtschaftlichkeit. Begrenzte Budgets, steigende Kapitalkosten und eine angespannte makroökonomische Lage zwingen Unternehmen, Ausgaben zu überdenken und Investitionen stärker zu priorisieren.
Führungskräfte sehen weiterhin das größte Hindernis bei der Skalierung der emissionsfreien Energieerzeugung darin, genügend Kundschaft zu finden, die höhere Preise für klimafreundliche Lösungen zu zahlen bereit ist, um einen ausreichenden Return on Investment (RoI) zu erzielen. Zudem sehen die Befragten den fehlenden Rückhalt der Investoren als zentrale Herausforderung. Zusätzliche Hemmnisse stellen vielerorts unklare politische Rahmenbedingungen, regulatorische Hürden sowie ein Mangel an verfügbarem Kapital dar.
Mehr als drei Viertel der befragten Führungskräfte gaben darüber hinaus an, dass die Kosten für Projektinvestitionen in den vergangenen zwölf Monaten zumindest leicht gestiegen sind – für jeden zehnten Befragten lagen die Kostensteigerungen sogar bei über 20 Prozent. Um Investitionen effizienter zu gestalten, setzen Unternehmen verstärkt auf eine optimierte Kapitalallokation, eine präzisere Projektplanung und verbesserte Wertschöpfungskonzepte. Knapp die Hälfte plant zudem, verstärkt Technologien – einschließlich künstlicher Intelligenz (KI) – einzusetzen, um Effizienzsteigerungen zu erzielen und Projekte besser zu steuern.
Neue Technologien wie KI sorgen für Optimismus
Trotz der wachsenden Skepsis bezüglich des Netto-Null-Zeitplans sehen Führungskräfte die Geschäftspotenziale ausgewählter innovativer Technologien zunehmend positiv. Vor allem KI und digitale Tools gewinnen an Bedeutung: 72 Prozent der Befragten sind überzeugt, dass diese Technologien in den nächsten fünf bis zehn Jahren positive Beiträge zu den Geschäftsergebnissen liefern werden. Während Unternehmen in der Vergangenheit größere Technologieinvestitionen oft aufschieben konnten, zeichnet sich nun ein Paradigmenwechsel ab – insbesondere in puncto IT-Infrastruktur. Mehr als 60 Prozent der Unternehmen planen in den kommenden drei Jahren eine umfassende Umwälzung der von ihnen verwendeten Softwarelösungen rund um das Verwalten von zentralen Geschäftsprozessen (Enterprise Resource Planning, ERP).
„Zwei Themen dominieren derzeit die Agenda der Führungskräfte: die steigenden Kapitalkosten und die Transformation durch KI und ERP“, betont Bain-Partner Klingan. „Für viele Unternehmen ist die ERP-Transformation längst mehr als ein IT-Upgrade – sie ist ein strategischer Imperativ.“ Da Softwareanbieter die Unterstützung für Altsysteme schrittweise einstellten, werde immer deutlicher, dass eine ERP-Modernisierung neue Kompetenzen und Tools – wie etwas KI-gestützte Nachfrageprognosen – erschließen könne.
Energiebedarf steigt durch KI-Boom rasant
Bain schätzt, dass der jährliche Energieverbrauch von Rechenzentren sich bis 2027 mehr als verdoppeln und dann rund 2,6 Prozent des weltweiten Stromverbrauchs ausmachen könnte – was Investitionen von über zwei Billionen US-Dollar in neue Energieerzeugungskapazitäten erforderlich machen würde. Die Versorgungsunternehmen sind sich dieser Herausforderung bewusst. Laut der Bain-Befragung ist zwar die Mehrheit der Führungskräfte zuversichtlich, dass sie die steigende Nachfrage bewältigen können. Allerdings sind 43 Prozent der Ansicht, dass dies nur unter optimalen Rahmenbedingungen möglich wäre.
Um der wachsenden Energienachfrage durch KI und Rechenzentren gerecht zu werden, setzen die Versorger weltweit auf drei zentrale Strategien: den Ausbau erneuerbarer Energien, die Verlängerung der Laufzeiten bestehender Anlagen und den Ausbau der Erdgasinfrastruktur. In Nordamerika wird zudem die Kernenergie als relevante Option gesehen. Insbesondere dortige Energieversorger setzen auch zunehmend darauf, steigende Kosten an Rechenzentrenbetreiber weiterzugeben, sei es durch höhere Strompreise oder durch Co-Investitionen in Infrastrukturprojekte. Dies unterstreicht einen breiteren Trend in der Branche: „Während die Energiewende auf der Vorstandsagenda bleibt, sind die Unternehmen gezwungen, sich stärker auf die wirtschaftlichen Realitäten zu konzentrieren“, bilanziert Branchenkenner Klingan. „Vor diesem Hintergrund werden nicht zuletzt technologische Innovationen zur entscheidenden Stellschraube für langfristigen Erfolg.“