Pressemitteilung
- Neubau größerer Rechenzentren könnte in den kommenden fünf Jahren Kosten zwischen 10 und 25 Milliarden US-Dollar verursachen
- Die Nachfrage nach vorgelagerten Komponenten könnte bis 2026 um 30 Prozent oder mehr steigen und die nächste Chipknappheit auslösen
- „Souveräne KI“ sowie Bedenken von Unternehmen hinsichtlich Kosten und Datenschutz schaffen Chancen für Small Language Models (SLMs)
Der weltweite Markt für Hardware und Software im Bereich künstliche Intelligenz (KI) wird voraussichtlich jährlich zwischen 40 und 55 Prozent wachsen und könnte bis 2027 zwischen 780 und 990 Milliarden US-Dollar erreichen. Das hat der fünfte „Global Technology Report“ der internationalen Unternehmensberatung Bain & Company ergeben. Er beleuchtet die aktuellen Wachstumsschübe im Technologiesektor und erläutert Entwicklungspotenziale, die durch die rasanten Fortschritte vor allem rund um KI hervorgerufen werden.
„Generative KI treibt den aktuellen Wandel im Technologiesektor maßgeblich an, doch er wird erschwert durch die wirtschaftlichen Umbrüche und die Notwendigkeit, Geschäftsprozesse anzupassen“, erklärt Dr. Claus Benkert, Bain-Partner und Technologieexperte. Inzwischen gehen Unternehmen über die Experimentierphase hinaus und beginnen, generative KI in großem Maßstab in ihrer Organisation zu integrieren. „Infolgedessen müssen CIOs weiterhin auf etablierte, aber flexible KI-Lösungen setzen, die es den Unternehmen ermöglichen, sich an ein sich schnell veränderndes Umfeld anzupassen“, so Benkert.
KI beschleunigt Chipnachfrage
Bain schätzt, dass die KI-Workloads bis 2027 jährlich um 25 bis 35 Prozent wachsen könnten. Angesichts dieser Entwicklung wird der Bedarf an Rechenleistung in den nächsten fünf bis zehn Jahren erheblich zunehmen und größere Rechenzentren erfordern – von den heute meist üblichen 50 bis 200 Megawatt auf mehr als ein Gigawatt. Damit gehen auch steigende Kosten einher. Schlägt der Neubau eines großen Rechenzentrums derzeit mit rund einer bis vier Milliarden US-Dollar zu Buche, dürfte er sich in fünf Jahren auf etwa zehn bis 25 Milliarden US-Dollar belaufen. Diese Veränderungen werden voraussichtlich enorme Auswirkungen auf die Lieferketten sowie die Ökosysteme der Rechenzentren haben, einschließlich Infrastrukturtechnik, Stromversorgung und Kühlung.
Der KI-bedingt steigende Bedarf an Grafikprozessoren (Graphics Processing Units, GPUs) dürfte darüber hinaus die Gesamtnachfrage nach bestimmten vorgelagerten Komponenten bis 2026 um 30 Prozent oder mehr erhöhen, wie der Bain-Report prognostiziert. „Der steigende Bedarf an KI-Rechenleistung wird die Lieferketten einmal mehr unter Druck setzen. Während neue Rechenzentren mehr Halbleiter benötigen, nimmt gleichzeitig die Nachfrage nach Computern und Smartphones weiter zu“, betont Bain-Partner und Technologieexperte Dr. Hans Joachim Heider. „Diese Trends, gepaart mit geopolitischen Spannungen, könnten die nächste Chipknappheit auslösen.“ Sollte sich der Bedarf der Rechenzentren an GPUs der aktuellen Generation bis 2026 verdoppeln, müssten nicht nur die Zulieferer von Schlüsselkomponenten ihre Produktion steigern. Vielmehr wären auch die Hersteller von Chip-Packaging-Komponenten gezwungen, ihre Kapazitäten fast zu verdreifachen, um die Nachfrage zu decken.
Souveräne KI rückt in den Fokus
Ein Bereich, der dem Bain-Report zufolge bei den Technologieunternehmen für zusätzliche Komplexität sorgt, ist das Aufkommen von „souveränen“ KI-Bestrebungen einzelner Länder oder Staatenverbünde. Nach den pandemiebedingten Halbleiterengpässen stehen inzwischen Fragen zu Datenschutz und Sicherheit zunehmend im Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit. Regierungen weltweit – darunter Kanada, Frankreich, Indien, Japan und die Vereinigten Arabischen Emirate – investieren Milliarden in die Subventionierung souveräner KI. Sie investieren in die heimische Recheninfrastruktur und KI-Modelle, die innerhalb ihrer Landesgrenzen entwickelt und mit lokalen Daten trainiert werden.
„Erfolgreiche souveräne KI-Ökosysteme aufzubauen, gestaltet sich als zeitaufwändig und sehr teuer“, mahnt Heider. „Obwohl solche Vorhaben in mancher Hinsicht weniger komplex sind als die Konzeption und der Bau von Halbleiterfabriken, erfordern sie weit mehr als nur lokale Subventionen zu sichern.“ Hyperscaler und andere große Technologieunternehmen könnten weiterhin in KI-Projekte vor Ort investieren, die ihnen erhebliche Wettbewerbsvorteile versprechen.
Ebenso könnten Small Language Models (SLMs), die Algorithmen wie RAG (Retrieval-Augmented Generation) und Vektoreinbettungen (numerische Darstellungen von Daten) verwenden, an Bedeutung gewinnen. Denn Unternehmen stehen zunehmend vor der Herausforderung, ihre Lieferanten zu managen, den Datenschutz sicherzustellen und die Gesamtkosten im Griff zu behalten. Diese SLMs übernehmen einen Großteil der Rechen-, Netzwerk- und Speicheraufgaben in der Nähe der gespeicherten Daten.
Effizientere Softwareentwicklung erforderlich
Die zunehmende Verbreitung generativer KI drängt die in der Softwareentwicklung tätigen Unternehmen gleichzeitig dazu, ihre Effizienz zu steigern. So kann diese Technologie durchschnittlich etwa 10 bis 15 Prozent der gesamten Entwicklungszeit einsparen, wie eine Bain-Befragung von mehr als 200 US-Unternehmen aus verschiedenen Branchen ergeben hat. Doch viele nutzen diese Vorteile bislang nicht optimal. „Richtig umgesetzt, lassen sich mit generativer KI über verschiedene Anwendungsbereiche hinweg sogar Effizienzsteigerungen von rund 30 Prozent oder mehr erzielen“, betont Bain-Partner Benkert. „Um die Softwareentwicklung mithilfe generativer KI signifikant zu verbessern, sind jedoch Anstrengungen erforderlich, die über die Einführung von Coding-Assistenten hinausgehen.“ So könnten beispielsweise Methoden wie die statische Analyse zum Einsatz kommen. Ebenso gilt es den gesamten Softwareentwicklungszyklus abzudecken, einschließlich Produktmanagement, Refactoring, Code-Reviews, Tests sowie Build- und Release-Management.
Während Softwareunternehmen mit diesen Herausforderungen konfrontiert sind, stockte zuletzt deren wirtschaftliche Entwicklung. So ging das jährliche Umsatzwachstum einer Gruppe von weltweit rund 90 börsennotierten Software-as-a-Service (SaaS)-Unternehmen laut Bain-Report in den letzten zwei Jahren um 16 Prozentpunkte zurück. In der Folge hat die Branche ihre Ausgaben zum Teil erheblich reduziert. Der prozentuale Anteil der Vertriebs- und Marketingbudgets am Umsatz der SaaS-Unternehmen ist von 41 Prozent im Jahr 2022 auf nur mehr 33 Prozent im laufenden Jahr gesunken. Dagegen gingen die Ausgaben für Forschung und Entwicklung im gleichen Zeitraum lediglich um drei Prozentpunkte – von 21 auf 18 Prozent des Umsatzes – zurück.
„Für Softwareentwickler gilt es mehr denn je sicherzustellen, dass sie ihrer Kundschaft maßgeschneiderte Produkte bieten, bestmöglich in die Forschung und Entwicklung investieren und die steigenden Betriebskosten im Griff behalten“, resümiert Benkert. „Kurzum: Anbieter müssen disziplinierter entscheiden, auf welche Dienstleistungen und Angebote sie künftig setzen und ihre Produktstrategie weiter ausdifferenzieren.“