Pressemitteilung

Biodiversität wird zum Schlüsselfaktor für Schweizer Wirtschaft
  • Mehr als die Hälfte der globalen Wirtschaftskraft ist durch die rückläufige Artenvielfalt bedroht
  • Schweizer Unternehmen beeinflussen vor allem aufgrund ihrer internationalen Verflechtungen die Biodiversität unseres Planeten
  • Die an der Studie beteiligten Schweizer Unternehmen erkennen diese Verantwortung an, einige haben erste Initiativen ergriffen
  • Mit dem WWF Biodiversity Stewardship Framework können Unternehmen ihr Engagement systematisieren und entlang ihrer Wertschöpfungskette zum Erhalt der Artenvielfalt beitragen

Weltweit haben die Bestände der im WWF-Living-Planet-Report untersuchten Arten seit 1970 durchschnittlich um 69 Prozent abgenommen. Ungefähr eine Million Arten ist heute vom Aussterben bedroht, in der Schweiz gelten 35 Prozent als gefährdet. Dies wirkt sich nicht nur auf die Natur und ihre Artenvielfalt aus, sondern auch auf die Grundlagen unseres Wohlstands. Denn mehr als die Hälfte des globalen Bruttoinlandsprodukts, rund 44 Billionen US-Dollar, hängt von einer intakten Natur ab.

Der WWF und die internationale Unternehmensberatung Bain & Company haben vor diesem Hintergrund erstmals den Einfluss der Schweizer Wirtschaft auf die globale Biodiversität untersucht. Die Studie «Biodiversity: Time to Act – Opportunities and Risks for Swiss Businesses» erläutert, wie hiesige Firmen die Natur schützen können, wie sich ihr Engagement systematisieren lässt und welche Chancen sich daraus ergeben. Dafür wurden unter anderem Interviews mit 21 führenden Schweizer Unternehmen mit einem Umsatz von insgesamt rund 350 Milliarden Franken und rund 700’000 Beschäftigten ausgewertet.

Verlust der Biodiversität zählt zu den grössten Risiken für die Weltwirtschaft

«Der Erhalt der Biodiversität erfordert die gleiche Aufmerksamkeit und Tatkraft wie die Arbeit an den Klimazielen», betont Bain-Partner Dr. Stefan Wörner, Co-Autor der Studie und Nachhaltigkeitsexperte. Zumal beide Themen auf vielfältige Weise miteinander verknüpft sind: Das veränderte Klima bedroht eine Vielzahl von Arten, der Verlust an Biodiversität – und hier allen voran die Abholzung von Wäldern – beschleunigt die globale Erwärmung. Nach Einschätzung des World Economic Forum (WEF) zählt vor diesem Hintergrund der Verlust der Artenvielfalt und damit der Zusammenbruch ganzer Ökosysteme zu den zehn grössten Risiken für die Weltwirtschaft. «Es ist höchste Zeit zu handeln», erklärt Wörner. «Und Schweizer Unternehmen sollten dabei eine Vorreiterrolle übernehmen.»

Der entscheidende Einfluss der Lieferketten auf den Erhalt der Artenvielfalt

Die gemeinsame Studie von WWF und Bain arbeitet heraus, inwieweit sich die Wertschöpfungsketten wichtiger Schweizer Industriezweige – vom Bau über die exportstarke Pharma- und Luxusgüterbranche bis hin zu Finanzdienstleistern und Rohstoffhändlern – auf die globale Biodiversität auswirken. In vielen Fällen beeinflussen weniger der eigene Betrieb, sondern vielmehr vor- und nachgelagerte Wertschöpfungsstufen die Artenvielfalt. «Die Schweizer Wirtschaft trägt aufgrund ihrer weltweiten Wertschöpfungsketten eine globale Verantwortung zum Schutz der Biodiversität», betont Thomas Vellacott CEO des WWF Schweiz und fügt an: «Der WWF zeigt Unternehmen auf, wie sie mit ihren Lieferanten erfolgreich innerhalb der planetaren Grenzen wirtschaften können. Und wir ermutigen sie, zur Regeneration von Ökosystemen beizutragen. Nun braucht es Taten.»

Die an der Studie beteiligten Schweizer Unternehmen erkennen diese Verantwortung an, einige haben erste Initiativen ergriffen. Sie wollen damit vermehrt Risiken reduzieren, die sich beispielsweise aus Naturkatastrophen, einer verschärften Regulierung oder dem Verlust von Reputation ergeben. Mittel- und langfristig können sich Vorreiter beim Schutz der Artenvielfalt auch handfeste Vorteile am Markt erarbeiten. Diese resultieren unter anderem aus einer steigenden Nachfrage nach nachhaltigen Produkten und einer günstigeren Finanzierung.

Wie Firmen ihr Engagement in puncto Biodiversität systematisieren können

Das Fehlen standardisierter Messgrössen, mangelnde Bedeutung innerhalb des Unternehmens sowie die Schwierigkeit, die notwendigen Massnahmen in den Lieferketten durchzusetzen, gelten als Hindernisse für Schweizer Unternehmen, mehr für die Biodiversität zu tun. Das «WWF Biodiversity Stewardship Framework» unterstützt bei der Systematisierung des Engagements in puncto Biodiversität mit fünf wesentlichen Schritten:

  1. Bewerten. Im ersten Schritt wird die gesamte Wertschöpfungskette analysiert, um die Zusammenhänge zwischen den eigenen Aktivitäten und der Umwelt besser zu verstehen.
  2. Verankern. Die im Bewertungsprozess gewonnenen Erkenntnisse fliessen danach in die Firmenstrategie ein.
  3. Umsetzen. Auf Basis der weiterentwickelten Strategie passen Unternehmen Prozesse an, verändern Inhalte und Verpackungen von Produkten und optimieren ihr Geschäftsmodell beispielsweise in Richtung Kreislaufwirtschaft.
  4. Kommunizieren. Im Dialog mit wichtigen Stakeholdern können Vorreiter nicht nur über Fortschritte berichten, sondern sich auch für eine systematische Transformation über Branchen und Lieferketten hinweg einsetzen.
  5. Wirken. Im Ergebnis dient eine konsequente Umsetzung nicht nur dem Erhalt der Artenvielfalt. Sie trägt auch zur Zukunftssicherung von Unternehmen bei.

Bain-Partner Wörner verweist auf die Vorteile eines solchermassen systematisierten Vorgehens. «Wir stehen am Anfang einer neuen Ära der Nachhaltigkeit. In ihr entwickelt sich der Erhalt der Artenvielfalt ebenso wie das frühzeitige Erreichen ambitionierter Klimaziele zu einem wichtigen Wettbewerbsvorteil für Unternehmen. Schweizer Unternehmen können dabei eine Vorreiterrolle einnehmen.»

Über die Studie

Die Studie „Biodiversity: Time to Act – Opportunities and Risks for Swiss Businesses» basiert auf umfangreichen Datenanalysen sowie Interviews mit hochrangigen Vertreterinnen und Vertretern 21 grosser Schweizer Unternehmen, die insgesamt einen Umsatz von rund 350 Milliarden Franken erwirtschaften und rund 700’000 Menschen beschäftigen. Das Autorenteam wertete zudem unter anderem Studien von FAO, IPBES, IPCC, UN und WEF aus und nutzte eine Reihe nationaler Datenbanken. Auf dieser Basis konnten erstmals eine Einschätzung der Auswirkung des wirtschaftlichen Handelns der Schweizer Wirtschaft auf die Biodiversität vorgenommen und daraus Handlungsempfehlungen abgeleitet werden.