Brief
Acht makroökonomische Trends lassen das weltweite Bruttoinlandsprodukt bis zum Jahr 2020 um 40 Prozent steigen – auf 90 Billionen US-Dollar und das ungeachtet kurzfristiger Krisen und volatiler Märkte. Zu diesen Trends mit einem Umsatzpotenzial von jeweils mehr als einer Billion US-Dollar zählen der Aufstieg eines knappen Fünftels der Menschheit in die konsumkräftige Mittelschicht, höhere Bildungs- und Gesundheitsausgaben sowie eine effizientere Verarbeitung von Rohstoffen.
Angesichts Haushaltskrise und Rezession in vielen europäischen Ländern gerät eine Tatsache leicht aus dem Blickfeld: Die Weltwirtschaft wächst nach wie vor – 2011 um 3,8 Prozent. Und diese Dynamik bleibt bis zum Ende der Dekade erhalten. Das zeigt eine einzigartige Langfristprognose von Bain & Company, deren Modell die voraussichtliche Häufung kurzfristiger Krisen in Industrie- und Schwellenländern sowie die strukturellen Veränderungen der Weltwirtschaft berücksichtigt. Das Ergebnis: Das globale Bruttoinlandsprodukt (BIP) steigt bis zum Jahr 2020 um 27 Billionen US-Dollar auf 90 Billionen US-Dollar. Das entspricht einer jährlichen Wachstumsrate von knapp vier Prozent oder bei sieben Milliarden Menschen einem Vermögenszuwachs von 4.000 US-Dollar pro Kopf.
Schnellere Wohlfahrtsgewinne sind in den Schwellen- und Entwicklungsländern zu erwarten; Bain prognostiziert hier ein jährliches Wachstum von 5,6 Prozent. Die Industriestaaten kommen auf 2,4 Prozent BIP-Wachstum; das entspricht einem Plus von elf Billionen US-Dollar oder 40 Prozent des gesamten prognostizierten Wachstums. Dieser Wohlstandsschub führt dazu, dass auch 2020 noch die Mehrheit des globalen BIP in den etablierten westlichen Staaten erwirtschaftet wird und nicht in China, Indien und anderen aufstrebenden Ländern. Der Anteil der Industriestaaten am erheblich höheren globalen BIP sinkt lediglich von 65 Prozent im Jahr 2010 auf 58 Prozent 2020. „Wer die Märkte in Europa und den USA vorschnell abschreibt und seine Strategie nur noch auf die Schwellenländer ausrichtet, begeht einen gravierenden Fehler“, so Josef Ming, Handels- und Konsumgüterexperte und Partner bei Bain & Company.
Acht Trends mit einem Umsatzpotenzial von mehr als 1.000.000.000.000 US-Dollar
Die Analyse der Wachstumstreiber unterstreicht die zentrale Bedeutung der Industriestaaten für globale Wachstumsstrategien von Unternehmen. Im Rahmen der Modellrechnung identifizierte Bain acht strukturelle Trends, die jeder für sich einen Anstieg der weltweiten Wirtschaftskraft um mindestens eine Billion US-Dollar bis zum Jahr 2020 bewirken. Dazu zählen die steigende Nachfrage nach Gesundheits- (plus vier Billionen US-Dollar) und Bildungsangeboten (plus zwei Billionen US-Dollar), die kontinuierliche Differenzierung und Optimierung bestehender Produkte und Dienste (plus fünf Billionen US-Dollar) und der effizientere Einsatz von Rohstoffen (plus drei Billionen US-Dollar). Aber auch von steigenden globalen Militärausgaben, dem Auf- und Ausbau der Infrastruktur und dem Durchbruch neuer Technologien (jeweils plus eine Billion US-Dollar) dürften westliche Unternehmen profitieren. Bain-Partner Josef Ming sieht gerade forschungsstarke Länder wie Deutschland und die Schweiz gut gerüstet, mit Innovationen an allen acht Billionen-Trends teilzuhaben: „Die hiesigen Unternehmen sind Meister der Innovation. Wenn sie jetzt konsequent in die großen Trends investieren, werden sie von der Dynamik der Weltwirtschaft profitieren.“
15 Billionen US-Dollar fließen in den Konsum in Industrie- und Schwellenländern
Der Löwenanteil des zusätzlichen Wohlstands entfällt mit 15 Billionen US-Dollar bis 2020 unmittelbar auf den privaten Verbrauch. Während westliche Konsumenten in erster Linie bei verbesserten, zunehmend differenzierten und personalisierten Produkten und Dienstleistungen zugreifen werden, können sich 1,3 Milliarden Menschen in Schwellen- und Entwicklungsländern erstmals über das Notwendige hinausgehende Wünsche erfüllen. Sie überschreiten die kritische Grenze eines Haushaltseinkommens von 5.000 US-Dollar pro Jahr. Der Aufstieg von einem knappen Fünftel der Menschheit in die Mittelschicht löst einen Wohlstandsschub von zehn Billionen US-Dollar aus.
Bain-Experte Ming warnt westliche Konsumgüterhersteller und Einzelhändler jedoch vor verfrühtem Optimismus angesichts des nahenden Konsumbooms: „Es reicht nicht aus, die Produktion anzukurbeln und zusätzliche Waren nach Asien und Lateinamerika zu verschiffen. Gefragt sind neue Ansätze, die zu den lokalen Gegebenheiten passen.“ Unternehmen müssen sehr genau verstehen, welche Verhaltensmuster die aufstrebende Mittelschicht in den einzelnen Märkten zeigt und ihre Produkt- und Preispolitik danach ausrichten. „Der rasant steigende Absatz von Luxusgütern gerade in China ist ein Beleg dafür, dass ein Schwellenland eben nicht nur mit niedrigen Preisen und einfachen Produkten zu erobern ist“, so Ming. Doch im Regelfall spielt der Preis eine zentrale Rolle. Ein gut funktionierender Weg sind deshalb so genannte Popularly Priced Products: Der Wettbewerb in den Schwellenländern ist extrem hart und die Verbraucher sind nur selten bereit, einen Aufpreis für Güter aus dem Westen zu zahlen. „Wenn es den westlichen Produzenten also gelingt, die neue Käuferschicht mit im internationalen Vergleich niedrigen Preisen anzulocken und Schritt für Schritt an ihre Markenwelt heranzuführen, können sie am wachsenden Wohlstand in diesen Ländern teilhaben“, resümiert Ming. „Und das ist eine Jahrhundertchance!“
Zusammenfassung: Die acht Billionen-Dollar-Wachstumstrends und ihr Umsatzpotenzial bis 2020
- Wachsende Mittelschicht: plus 10 Billionen US-Dollar. Insbesondere in den Schwellenländern werden 1,3 Milliarden Menschen bis 2020 die kritische Grenze von 5.000 US-Dollar Haushaltseinkommen pro Jahr überschreiten und erstmals über freies Einkommen für den Konsum verfügen.
- Ausbau der Infrastruktur: plus 1 Billion US-Dollar. Während in den Industriestaaten angesichts leerer staatlicher Kassen Straßen, Bahntrassen und Stromnetze vermehrt von privaten Unternehmen finanziert werden, investieren die Schwellenländer selbst massiv in moderne Infrastruktur.
- Steigende Militärausgaben: plus 1 Billion US-Dollar. Der wachsende Wohlstand asiatischer Staaten wird mit einer Aufrüstung einhergehen, denn diese Länder wollen ihre Liefer- und Absatzwege auch militärisch absichern. Im Westen stehen Terrorbekämpfung und neue Themen wie Cyber War mit ausgefeilter Abhör- und Funktechnik im Zentrum.
- Effizienter Rohstoffeinsatz: plus 3 Billionen US-Dollar. Angesichts endlicher Ressourcen steigen die Preise für Rohstoffe wie Öl, Getreide und Metalle. Zugleich eröffnet die wachsende Knappheit der Ressourcen neue Chancen für Anbieter alternativer und ressourcenschonender Produktionsverfahren.
- Bessere Bildung: plus 2 Billionen US-Dollar. Je größer der Wohlstand, desto größer der Bedarf nach qualifizierten Arbeitskräften. Der War for Talent wird ein Dauerbrenner bleiben – und zwar in Industrie- und Schwellenländern. Denn auch in den sich entwickelnden Märkten fehlen inzwischen Fach- und Führungskräfte. Neue Technologien, wie eLearning eröffnen in diesem Umfeld westlichen Anbietern neue Wachstumschancen.
- Höhere Gesundheitsausgaben: plus 4 Billionen US-Dollar. Die rasante Alterung der Bevölkerung in den Industriestaaten und der medizinische Fortschritt treiben den Gesundheitsmarkt weiter an.
- Optimierte Produkte und Dienste: plus 5 Billionen US-Dollar. Mit einer ständigen Verbesserung bestehender Produkte und Dienstleistungen wecken Unternehmen neue Bedürfnisse bei Verbrauchern. Der Gebrauch teurer Smartphones anstelle einfacher Handys oder der Übergang vom Filterkaffee zu erheblich teureren Kapseln und Pads zeigen das hier schlummernde Potenzial.
- Bahnbrechende Innovationen: plus 1 Billion US-Dollar. Insbesondere in der Nanotechnologie, der Biotechnologie, der Robotik, der künstlichen Intelligenz und bei sozialen Medien könnte es zu technologischen Durchbrüchen kommen, die einen Produktivitätsschub in weiten Teilen der Wirtschaft auslösen.