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Auf einen Blick
- In dieser Interviewserie geben Bain-Experten Einblick, wie der Turnaround in verschiedenen Branchen gelingen kann.
- Was hat der jeweilige Sektor aus dem ersten Jahr der Pandemie gelernt?
- Welche Veränderungen stehen bevor?
- Wie sehen die Aufgaben der Gegenwart aus?
- Weitere Experteninterviews lesen Sie hier.
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Was hat die Reisebranche im vergangenen Jahr gelernt?
Für den Reisesektor war 2020 ein hartes, aber zugleich auch extrem lehrreiches Jahr. Das wird 2021 nicht anders sein. Viele Unternehmen sind durch die Corona-Krise in wirtschaftliche Schieflage geraten, drohende Insolvenzen müssen abgewendet werden. Noch nie waren Wirtschaft und Politik in einer vergleichbaren Situation. Daher verwundert es nicht, dass in dieser Zeit vielerorts nach dem Trial-and-Error-Prinzip Prinzip „Versuch und Irrtum“ gehandelt wird, um durch den Sturm zu kommen. Für die Reisebranche ergeben sich aus dieser Krise unzählige Erkenntnisse. Zwei davon möchte ich besonders hervorheben:
1. Geschäftsreisen allein sind kein sicheres Standbein mehr.
Niemand hätte vorhersagen können, welche Tragweite die Pandemie in Bezug auf die Zukunft des Arbeitens und damit auch auf die der Geschäftsreisen hat. Mehr Homeoffice, die virtuelle Zusammenarbeit diverser Teams selbst über verschiedene Zeitzonen hinweg sowie die geringere Anzahl an Dienstreisen werden viele Branchensegmente nachhaltig verändern. Das fängt bei Taxiunternehmen an und reicht über Hotellerie und Gastgewerbe bis hin zu Fluggesellschaften. Sie alle bedürfen einer grundlegenden Restrukturierung, die ihnen hilft, sich den neuen Gegebenheiten anzupassen.
2. Die Bedeutung von konsistenter Kommunikation und Kollaboration ist immens.
Im Rahmen der Pandemie gibt es zu viele Bereiche, in denen Politik und Wirtschaft nebeneinanderher agieren. Dieses Silodenken führt immer wieder zu verwirrenden und zum Teil widersprüchlichen Aussagen, zudem werden Ressourcen nicht effizient eingesetzt. Darüber hinaus sind bis heute schon unzählige Arbeitsplätze verloren gegangen. Die perfekte Lösung hätte zu Beginn dieser Phase niemand haben können. Aber ich bin davon überzeugt, dass in der Folge durch eine effektivere Zusammenarbeit und Arbeitsorganisation der bislang entstandene Schaden deutlich geringer ausgefallen wäre.
Sicherlich weiß man es im Nachhinein meist besser und es geht auch nicht um Schuldzuweisungen. Vielmehr müssen sich Unternehmen jetzt Zeit nehmen, um all ihre Erkenntnisse, die sie aus dieser besonderen Zeit gewonnen haben und noch gewinnen werden, zügig und gründlich zu evaluieren, damit der Turnaround gelingen kann.
Bain Accelerated Transformation
Unternehmen, die sich in einer tiefen Krise befinden und darum kämpfen, kurzfristige Finanzziele zu erreichen, profitieren von Bain Accelerated Transformation. Der Ansatz ermöglicht es, Kosten- und Ertragsvorteile zu erzielen sowie Geld- und Kapitalleistungen zu realisieren.
Welche Veränderungen stehen den Unternehmen in Zukunft bevor?
Digitalisierung, Automatisierung und Technologisierung sind nach wie vor von Bedeutung, wenn es um zukunftsweisende Veränderungen in der Reisebranche geht. Viele Menschen buchen beispielsweise schon online oder nutzen Vergleichsportale. Doch großen Worten fehlten in der Vergangenheit nur allzu oft die Taten. Häufig blieb es bei leeren Versprechungen oder die Anbieter nahmen lediglich oberflächliche Anpassungen vor.
Insgesamt wurde viel Zeit und Geld damit vergeudet, althergebrachte Geschäftsmodelle zu verteidigen. Doch neue, flexiblere Arbeitsmethoden und moderne Technologien rund um das Thema Reise dürfen nicht länger ignoriert werden. Ich erwarte, dass es in der Branche künftig vermehrt zu Partnerschaften, Kollaborationen sowie Beteiligungen, Übernahmen und Fusionen zwischen den Firmen kommen wird.
Das wird vor allem in denjenigen Sparten der Fall sein, in denen es um verstärkte Kundenorientierung, individuelle Wahlmöglichkeiten, flexible Buchungsmethoden, personalisierte Angebote und spontan zu verlängernde Reisen geht. Denn diese Anforderungen werden Beschäftigte an die Reiseanbieter stellen, wenn sie immer weniger einen festen Büroarbeitsplatz haben. Und all dies geschieht noch dazu vor dem Hintergrund einer zunehmenden Skepsis rund um Datenschutz und -sicherheit.
Wie sehen die Aufgaben der Gegenwart aus?
In den vergangenen Monaten wurden so viel Personal eingespart und Investitionsausgaben reduziert, dass manche Unternehmen Gefahr laufen, ihre bisherigen Errungenschaften zu verlieren. Zu Beginn der Krise musste das Management vor allem den Geschäftsbetrieb aufrechterhalten. Jetzt gilt es nicht nur Brände zu löschen, sondern auch die Weichen für die Zukunft zu stellen. Es ist an der Zeit, innezuhalten und sich zu fragen, wie die Unternehmenstransformation gelingen kann. Wie soll das künftige Geschäftsmodell ausgestaltet sein? Und kann das Unternehmen damit dann wettbewerbsfähig bleiben?
Der Luftfahrtsektor, der mir persönlich sehr am Herzen liegt, hatte es Anfang 2020 endlich geschafft, den Klimazielen angemessen Rechnung zu tragen. Doch aktuell fokussieren sich Fluggesellschaften natürlich vermehrt auf das Dringliche statt auf das Wichtige. Dennoch können wir es uns nicht leisten, den Fortschritt in puncto Biotreibstoff, Wasserstoff oder Elektro zu vernachlässigen. All die Themen, die bisher schon herausfordernd waren, werden immer teurer und schwieriger in der Umsetzung, je später man sie angeht. Change Management darf nicht aufgeschoben werden. Die beste Zeit dafür ist jetzt!
Weitere Experteninterviews lesen Sie hier:
After the belt tightening: time for the travel industry to steer towards a turnaround
Interview with Christian Pryce – new horizons rather than being turned upside down
What has the travel industry learned in the past year?
2020 was a tough year for the travel sector, but at the same time, it was a year that taught us so much. 2021 will be no different. As a result of the Covid-19 crisis, many companies faced economic difficulties and now, the threat of impending insolvencies must be avoided. Economics and politics are in an unprecedented situation. As a result, it is no wonder that we are seeing companies across the board performing on a trial and error basis in order to weather the storm. There are countless lessons for the travel industry that we can glean from this crisis, however, and I’d like to highlight two in particular:
1. We cannot rely on business travel alone.
No one could have predicted the scope the pandemic would have when it comes to the future of working and therefore the future of business travel. More home office, virtual coordination of multiple teams even working in various time zones as well as the minimal number of business trips will change many industry sectors over the long term. This starts with cab companies and includes hotels, restaurants, and extends to airline companies. They all require fundamental restructuring that will help them to adapt to new realities.
2. Consistent communication and collaboration is immensely important.
In the context of the pandemic, there are too many areas in which politics and economics operate independently, without coordination. This sort of silo mentality repeatedly leads to confusing and contradictory messages, and an inefficient use of resources. Moreover, there are countless jobs that have been lost up to now. No one could have come up with the perfect solution at the beginning of this crisis, but I am convinced that had there been more effective cooperation and better work organization, the damage that has occurred up to now would have been less severe.
Of course, hindsight is always 20/20 and I am not interested in playing the blame game. Rather, companies should now take the time to rapidly and fundamentally evaluate all that they have learned, and will learn, during this unprecedented time in order to ensure a successful turnaround.
Which changes will companies face in the future?
Digitalization, automation and technology continue to be critical when it comes to future-oriented changes in the travel sector. For example, many people are already booking online or using websites to compare offers. However, in the past, big promises often failed to deliver. Often, customers were left with empty promises or providers made merely superficial adjustments.
All in all, a lot of time and money was wasted in defending legacy business models. New, more flexible working methods and modern technologies affecting the travel industry should no longer be ignored. I expect more partnerships and collaborations as well as more investments, mergers and acquisitions among companies in this field to take place.
That will certainly be the case in areas that require greater customer orientation, individual customization, flexible booking methods, personalized offers and spontaneously extending trips, which employees will demand from travel providers the more people work remotely. Moreover, all of this takes place against the backdrop of increasing skepticism about data privacy and security.
What needs to be done today?
Over the past months, staff numbers have been scaled back and capital expenditures drawn down to the extent that some companies run the risk of losing what they have achieved up to now. At the beginning of the crisis, management teams wanted first and foremost to keep operations running. The task before us now is not to put out fires but to set the course for the future. It is time to take a moment and ask ourselves, how can a corporate transformation succeed? How should a future business model be designed? Can the company stay competitive this way?
The aviation sector, which is near and dear to my heart, finally succeeded in committing to climate targets at the beginning of 2020. However, as to be expected, airlines are currently focusing on what is urgent, not necessarily what is important long-term. That being said, we cannot afford to neglect progress in areas of organic fuel, hydrogen or electric power. All those topics that were challenging before the pandemic will only become more expensive and more difficult to implement the longer it takes to address them. Change management cannot be postponed. The time is now!