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Auf einen Blick
- In dieser Interviewserie geben Bain-Experten Einblick, wie der Turnaround in verschiedenen Branchen gelingen kann.
- Was hat der jeweilige Sektor aus dem ersten Jahr der Pandemie gelernt?
- Welche Veränderungen stehen bevor?
- Wie sehen die Aufgaben der Gegenwart aus?
- Weitere Experteninterviews lesen Sie hier.
Was haben Blue-Chip-Unternehmen im letzten Jahr gelernt?
Im Jahr 2020 – und auch noch in weiten Teilen 2021 – hat sich angesichts der Corona-Krise einmal mehr bewahrheitet, dass Geld allein nicht glücklich macht, aber zumindest die Nerven beruhigt. Tatsächlich haben sich überschüssige Liquidität und der unverminderte Zugriff auf Kredite als entscheidende Erfolgsfaktoren erwiesen. Ein hoher Free Cashflow ist erheblich wichtiger gewesen als ein attraktives EBITDA. Zudem ist dem Topmanagement von Unternehmen – auch dem der Blue Chips – noch stärker als bislang der zentrale Stellenwert eines guten Kreditratings vor Augen geführt worden, da sich damit unverändert Fremdkapital zu attraktiven Konditionen sichern ließ. Firmen, die über genügend Liquidität und Fremdkapital verfügten, konnten auch 2020 und in der ersten Jahreshälfte 2021 ihre digitale Transformation vorantreiben und – falls erforderlich – Optimierungs- und Restrukturierungsprogramme auflegen. Sie werden mit einem erheblichen Vorsprung in die Post-Corona-Zeit starten.
Bain Accelerated Transformation
Unternehmen, die sich in einer tiefen Krise befinden und darum kämpfen, kurzfristige Finanzziele zu erreichen, profitieren von Bain Accelerated Transformation. Der Ansatz ermöglicht es, Kosten- und Ertragsvorteile zu erzielen sowie Geld- und Kapitalleistungen zu realisieren.
Welche Veränderungen stehen den Blue Chips in Zukunft bevor?
Blue-Chip-Unternehmen müssen in den kommenden Jahren den zweiten disruptiven Wandel binnen weniger Jahre bewältigen. Denn das Thema Nachhaltigkeit macht ähnlich wie die Digitalisierung eine tiefgreifende Transformation und ein umfassendes Change Management notwendig.
Die Ausgangslage ist herausfordernd, weil Unternehmen gleich in mehrfacher Hinsicht unter Druck stehen. Die Kundschaft fordert klimaschonende Produkte, die Belegschaft erwartet ein entsprechendes Engagement ihres Arbeitgebers und Regierungen verschärfen ihre Auflagen. Zudem achten die Kapitalgebenden viel stärker als noch vor zwei Jahren auf das Einhalten von ESG-Prinzipien (Environmental, Social, Governance). Das gilt beispielhaft für die Ratingagenturen. In Risikoanalysen modellieren diese nun in einem erheblich höheren Detaillierungsgrad die Auswirkungen des Klimawandels auf Unternehmen sowie deren Produkte und räumen den Ergebnissen in ihren Scoring-Modellen entsprechend mehr Stellenwert ein. Bei Banken beeinflussen ESG-Kennzahlen mittlerweile standardmäßig Kreditkonditionen. Und ESG-konforme Finanzprodukte, seien es Aktienfonds oder Anleihen, verzeichnen einen ungebremsten Mittelzufluss.
NGOs und Aktivisten forcieren den Wandel. Sie wirken immer häufiger auf Entscheidungen ein, die für konkrete Projekte getroffen werden, ganz gleich, ob es um die Beteiligung an der Erschließung von Kohleminen geht oder um Debatten über Themen wie die Verantwortung für Lieferketten. Sogar wenn über Vorstandsvergütungen abgestimmt wird, nehmen sie Einfluss. Blue-Chip-Unternehmen benötigen eine proaktive und transparente Kommunikation mit allen Stakeholdern, um weiterhin eine maßgebliche Rolle im Dialog zu spielen. Vielerorts ist ein Turnaround in der Kommunikation unerlässlich.
Wie sehen die Aufgaben der Gegenwart aus?
Zwei Themen sollten auf jeder Managementagenda ganz oben stehen: die Weiterentwicklung der Geschäftsmodelle in Richtung Nachhaltigkeit sowie die längerfristige Absicherung ihrer Finanzierung.
Nachhaltigkeit ist heute eng mit einem klaren Bekenntnis zur Klimaneutralität verbunden. Setzen sich Blue-Chip-Unternehmen hier konkrete Ziele, sollten sie bei den direkt beeinflussbaren CO2-Emissionen (Scope 1 und 2) einen Schritt weiter gehen als der Wettbewerb und sich dadurch einen Vorsprung sichern. Damit sie auch ihren CO2-Fußabdruck entlang der Wertschöpfungskette (Scope 3) deutlich reduzieren können, müssen sie ihre Lieferanten dahin gehend sorgfältig auswählen und über Verträge zu niedrigeren Emissionen verpflichten.
Diese Transformation der Geschäftsmodelle erfordert erhebliche Investitionen. Unternehmen mit entsprechender Bonität sollten das aktuell außergewöhnlich günstige Umfeld dazu nutzen, weiteres Fremdkapital aufzunehmen, da die EZB mittelfristig ihre Käufe von Firmenanleihen zurückfahren wird. Empfehlenswert ist es zudem, den Umfang revolvierender Stand-by-Kredite zu erweitern. Damit verschaffen sich Blue Chips nicht nur ein günstiges Finanzpolster, sondern demonstrieren den Kapitalmärkten auch ihre starke Position. Ein wichtiges Signal in einer disruptiven Zeit, in der permanenter Wandel und – damit verbunden – Optimierungs- und Restrukturierungsprogramme zum Alltag gehören.
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