Brief
Geschäfts- und IT-Prozesse funktionieren kaum reibungslos: Kosten türmen sich auf, Computer stürzen ab oder frieren ein, Entscheidungen werden zu spät getroffen. Zur Lösung derartiger Probleme greifen Unternehmen typischerweise auf Redesigntools, wie Reengineering oder Lean Six Sigma, zurück, um ihre Enterprise Resource Planning (ERP) Systeme und andere IT-Module zu reorganisieren.
Derartige Lösungen sind wirkungsvolle Instrumente. Manchmal können sie dazu beitragen, Prozesse und Systeme zu straffen. Oft bleiben die erwünschten Wirkungen aber aus, weil sich bereits Komplexität im Unternehmen an einer anderen Stelle ausgebreitet hat. Ein weltweit agierender Energieversorger investierte beispielsweise rund 100 Millionen US-Dollar in eine Reihe scheinbar erfolgreicher Reengineering-Initiativen. Dennoch kletterten die Verwaltungs- und Gemeinkosten weiter – um 15 Prozent jährlich. Ein Mitglied der Geschäftsleitung sagt folgendes dazu: “Wenn man die gesamten Einsparungen zusammenrechnet, die wir mit dem Prozess-Reengineering erreichen wollten, wären wir jetzt bei negativen Gemeinkosten gelandet. Aber stattdessen steigen die Kosten immer weiter.” Dieses Unternehmen hatte ein neues ERP-System installiert – in der Hoffnung, es würde ein besseres Kosten-Nutzen-Verhältnis bieten und zu Einsparungen führen. Die IT-Kosten schossen jedoch in die Höhe.
Warum greifen konventionelle Lösungen für Prozess- und IT-Probleme regelmäßig zu kurz? Weil die Prozesse und die IT-Systeme selten das eigentliche Hauptproblem sind. Fast immer sind Prozess- und IT-Probleme Symptome für Unternehmenskomplexität an anderer Stelle — in der Strategie, im Geschäfts- und Produktportfolio und/oder in der Organisation selbst. Möglicherweise tritt Komplexität erstmalig in Form eines Prozessabbruchs oder einer Spam-Welle auf. Die tatsächlichen Ursachen dafür liegen aber oft ganz woanders. Und genau deshalb erfüllen die Prozess- oder Systemlösungen nur in seltenen Fällen die in sie gesetzten Erwartungen. Funktionale Einheiten im Unternehmen sehen sich selbst üblicherweise als Serviceorganisationen, die dazu da sind, andere Funktionen und Betriebsabläufe des Unternehmens zu unterstützen. Sie können sich zwar selbst modernisieren und rationalisieren, stellen aber selten die Anforderungen ihrer Kunden in Frage.
Einige Unternehmen haben jedoch einen anderen Ansatz entwickelt. Statt Prozesse aus-schließlich über funktionale Exzellenz verbessern oder IT-Probleme nur über eine System-modernisierung lösen zu wollen, arbeiten sie an den Schnittstellen, an denen Geschäftsbe-reiche und Funktionen zusammentreffen. Dabei nehmen sie nicht nur den Prozess oder das System selbst unter die Lupe, sondern auch die Ursachen der Komplexität im Gesamtzusammenhang. Die Auswirkungen dieser grenzübergreifenden Ansätze sind erheblich. Den Unternehmen gelingt es nicht nur, ihr aktuelles Problem zu lösen. Sie sorgen gleichzeitig für eine nachhaltige Vereinfachung in der gesamten Organisation. Was womöglich bei den Prozessen und Systemen seinen Anfang genommen hat, führt schließlich zu einem stärker fokussierten Unternehmen.